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Zwischen Sehnsucht und Ohnmacht

  • J.H.
  • 18. März
  • 2 Min. Lesezeit

Deutschlands Osten wählt Rechts – Ein Wunsch nach Führung?


Es gibt viele Versuche, die hohe Zustimmung zur AfD in Ostdeutschland zu erklären. Die Angst vor Migration aus Krisengebieten wie Afghanistan oder Syrien werden dabei immer wieder angeführt - auch wenn die Zahlen des tatsächlichen Zustroms im Osten eher dagegen sprechen. Doch womöglich liegt der tatsächliche Grund viel tiefer: in einem Bedürfnis nach einem Staat, der nicht nur verwaltet, sondern klar führt.


Vor allem bei der Generation der heute 40- bis 60-Jährigen scheint ein wachsender Wunsch nach Ordnung, Übersicht und verlässlicher staatlicher Steuerung zu spüren. Diese Menschen erlebten den Umbruch von 1990 zunächst mit großer Hoffnung – auf Freiheit, Wohlstand und neue Chancen. Doch im Laufe der Jahre wich diese Zuverzicht und die Aufbruchstimmung bei vielen der Ernüchterung: Arbeitsplätze gingen verloren, soziale Unsicherheiten nahmen zu und das Gefühl, in der neuen Ordnung nicht wirklich angekommen zu sein, hinterließen Spuren. Viele fühlen sich heute abgehängt und als Verlierer der deutschen Einheit.


Die Sehnsucht nach Reisefreiheit, Meinungsfreiheit und der Wunsch nach Konsum von einst ist nicht gewichen, aber diese Freiheiten sind inzwischen selbstverständlich geworden. Dass mit der deutschen Einheit aber auch Verantwortung einhergeht, hat möglicherweise viele überfordert. Wenn der Staat nicht mehr alles kontrolliert, nicht mehr alles regelt und vorschreibt, müssen die Bürger selbst Verantwortung übernehmen. Auch das ist Freiheit. Wer jedoch in wirtschaftlich schwachen Regionen lebt oder sich durch die Wende entwurzelt fühlt, empfindet diese Freiheit nicht immer als Gewinn, sondern oft als Belastung. In der DDR hingegen wurde entschieden, gelenkt, zugewiesen – das Leben war vorherbestimmter, aber auch planbarer. Für manche wirkt das im Rückblick nicht als Einschränkung, sondern als Stabilität.


Die alt eingesessen Parteien scheinen hierbei keine Abhilfe zu schaffen, zu westlich mögen sie sein. Und die AfD als Alternative kam da vermutlich wie gerufen. Auch wenn im Parteiprogramm davon nichts zu finden ist, so scheint sie doch für viele als das Heil am grauen Himmel: Ihre Sprache ist geprägt von Autoritätsdenken und Abgrenzung, ihre Rhetorik erinnert in Teilen bewusst an antidemokratische Traditionen. Gerade das könnte für manche Wählerinnen und Wähler attraktiv wirken – nicht trotz, sondern wegen der Nähe zu autoritären Vorstellungen. In einer Gesellschaft, die viel verlangt, aber wenig Orientierung bietet, erscheint der Ruf nach einer starken Führung vielen als Lösung.


Die Forderung nach einer „DDR light“ ist daher weniger Ausdruck politischer Nostalgie als eines grundsätzlichen Wunsches: nach einem Staat, der nicht nur Möglichkeiten eröffnet, sondern Richtung vorgibt. Ein Staat, der weniger die Selbstverwirklichung des Einzelnen betont als das Gefühl von Zugehörigkeit, Sicherheit und Ordnung. Vielleicht erklärt sich so der Erfolg der AfD in Ostdeutschland nicht allein aus Protest – sondern aus dem Bedürfnis nach Führung in einer Zeit der gesellschaftlichen Überforderung.

 
 

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