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- J.H.
- 21. Aug. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Vom Feminismus und dem Wunsch, nicht verwechselt zu werden
Ich bin Anfang der Siebzigerjahre geboren – groß geworden in einer Zeit, in der Emanzipation ein große Thema war. Und ja, ich hätte mich damals durch als feministisch bezeichnet. Es schien selbstverständlich, sich für Gleichberechtigung einzusetzen, für Selbstbestimmung, für die Freiheit, als Frau den eigenen Weg zu gehen – ohne sich erklären zu müssen.
Mit Alice Schwarzer habe ich mich nie ausdrücklich beschäftigt. Im Gegenteil – ich habe sie wahrgenommen, aber nie aktiv gelesen, nie bewusst verfolgt. Sie war einfach da: in Talkshows, in Magazinen, als prominente Stimme des deutschen Feminismus. Erst mit den Jahren merkte ich, dass sich bei mir etwas sperrte, wenn ihr Name fiel – oder wenn ihre Haltung zum Maßstab für „richtigen“ Feminismus gemacht wurde.
Ich respektiere sie für vieles: ihren Einsatz für das Recht auf Abtreibung, ihren Kampf gegen Gewalt an Frauen, ihre Beharrlichkeit, Themen sichtbar zu machen, die lange verdrängt wurden. Ohne sie wären bestimmte Debatten wohl nicht geführt worden. Und dennoch war sie nie meine Identifikationsfigur. Ihre Art – konfrontativ, polarisierend, oft kompromisslos – empfand ich als abschreckend. Sie sprach mit großer Geste für „die Frauen“, aber ich fühlte mich darin nicht wieder.
Und so hat sich über die Jahre meine Distanz zum Begriff „feministisch“ entwickelt – nicht, weil ich seine Ziele ablehne, sondern weil ich nicht mit einem Ton, einer Haltung oder einem Anspruch verwechselt werden möchte, die nicht meine sind. Ich möchte, dass wir für Frauen kämpfen aber nicht prinzipiell gegen Männer - zumindest nicht generell und nicht gegen alle.
Ähnlich ging es mir später mit dem Begriff „feministische Außenpolitik“. Natürlich ist es wichtig, in der internationalen Politik auch gezielt auf die Rechte und Lebensrealitäten von Frauen zu achten – gerade weil sie in vielen Regionen benachteiligt oder übergangen werden. Und ja, die weibliche Seite, die weibliche Sicht, die weibliche Intuition kann eine ganz andere Seite der Politik zum Vorschein bringen, eine ganz andere Art der Diplomatie fördern. Aber Außenpolitik sollte allen dienen – unabhängig von Geschlecht. Mit weiblicher Perspektive, ja. Mit Haltung, unbedingt. Aber nicht mit einem Etikett, das ausgrenzt oder polarisiert.
Natürlich gehören Frauen in Führungspositionen - in der Politik wie in der Wirtschaft. Frauen müssen mitentscheiden, mitverhandeln, mitgestalten. Aber ich finde es nicht gut, wenn die politische Sprache, der Umgang und die Ziele beginnen, mehr zu trennen als zu verbinden.
Ich stehe für Gleichberechtigung. Für gleiche Chancen. Für Respekt – unabhängig vom Geschlecht. Für Gleichwertigkeit in Beziehungen, Beruf und Gesellschaft. Aber ich möchte das nicht mit einem Begriff verbinden, der zu oft ideologisch aufgeladen ist. Ich möchte nicht erklären müssen, welche Art Feministin ich bin – ich möchte einfach handeln, Haltung zeigen, Verantwortung übernehmen.
Vielleicht ist das mein leiser Feminismus. Oder einfach nur Menschlichkeit mit klarer Haltung.